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Letzte Änderung:
10.10.2003
© 1996 - 2003 Christiane Eichler
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Hardanger

Die Hardanger-Technik blickt auf eine lange Tradition zurück. Ihren Namen hat sie vom norwegischen Hadanger Fjord, einer Gegend, in der einfache Hardanger-Stickerei auf der Tracht üblich ist. Jedoch wurde und wird diese Stickerei nicht nur dort gepflegt. Angeblich soll sie über Persien nach Europa gekommen sein. Auch auf dem Balkan wurde in einigen Gegenden diese Stickerei zur Verzierung der Tracht benutzt. Dort herrschten allerdings kräftige Farben auf weißem Leinen vor, während in Norwegen meist weiß auf weiß gestickt wurde.

In den letzten Jahren ist die Hardanger-Stickerei in Europa und Nordamerika zu einer neuen Blüte gelangt. Während die klassischen Stickereien eher einfach gehalten sind, wird heute eine Vielfalt komplizierter Füllungen verwendet. Der Rand wird häufig durchbrochen, so daß man es mit spitzenähnlichen Gebilden zu tun hat. Sie wird mit Kreuzstich, Bändchenstickerei und anderen Techniken kombiniert. Jedes Jahr erscheinen mehrere Titel mit Mustern in verschiedenen Verlagen, dazu geben renommierte Verlage Bücher heraus.

Früher wurde die Hardanger-Stickerei hauptsächlich für Kleidung verwendet, heute dagegen herrschen Tischwäsche, aber auch bildliche Darstellungen vor. Grundsätzlich gibt es aber sehr viele Verwendungsmöglichkeiten.

Die Hardanger-Technik hat einerseits enge Grenzen (nämlich die Grundeinheit der Plattstichgruppen), andererseits kommt eine Vielfalt von Stichen zur Anwendung: neben den Plattstichgruppen und den umstochenen Fadengruppen gibt es Madeirastich, Kästchenstich, doppelten Maschenstich, und dann natürlich die vielen verschiedenen Füllstiche wie Malteserkreuze, Schlingstich, Edelweiß und andere Kombinationen.

An zwei Stellen hat die Hardanger-Stickerei Berührungspunkte mit der Nadelspitze: Einmal bei den komplizierteren Füllungen, bei denen auch klassische Nadelspitzen-Techniken zum Einsatz kommen: Da werden Stege mit Knopflochstich überstochen und Formen in Spitzenstich frei gestaltet. Zum zweiten wird heute der Rand vielfach spitzenartig durchbrochen. Es gibt einige Stücke, bei denen nur noch wenig Stoff in der Mitte bleibt, während der gesamte Rand durchbrochen gearbeitet wird. Hier ist der Übergang zur Reticella nicht mehr weit, deren Vorformen ja auch im Doppeldurchbruch (Hardanger ist eine Spielart des Doppeldurchbruchs) zu sehen sind.

Sehr reizvoll an der Hardanger-Technik ist auch, daß man von reich bestickt bis sparsam und edel alle Stilrichtungen finden kann. Da findet man Tischbänder, bei denen kaum ein Teil des Stoffes unbestickt bleibt, oder aber Tischdecken mit wenigen kleinen, aber effektvollen Motiven. Auch kann man sehr stark variieren, wieviel durchbrochene Flächen man hat, oder aber sich mehr auf die Zierstiche konzentrieren. Ein letztes, aber eher sparsam einzusetzendes Mittel ist die Farbe. Die klassiche Hardanger-Stickerei ist weiß auf weiß, und auch heute noch wird häufig Ton in Ton gearbeitet. Doch kann man durch helles Garn auf dunklem Grund oder umgekehrt aparte Effekte erzielen, oder aber man arbeitet sogar mit mehr als einer Stickgarnfarbe. Eine weitere Möglichkeit bieten die ombrierten Garne, um zauberhafte Effekte zu erzielen. Für weihnachtliche Stickereien bieten sich Kombiniationen mit metallisierten Garnen an.

Plattstiche

Die Plattstiche sind der Beginn der Arbeit, nachdem man den Stoff nach den allgemeinen Tips vorbereitet hat. Da von den Plattstichgruppen (PG) die Stabilität der durchbrochenen Teile abhängt, sollte man hier besonders sorgfältig vorgehen. Man sollte auf jeden Fall erst alle Plattstiche arbeiten, bevor man an andere Teile der Arbeit herangeht. Hier gilt besonders: Besser zweimal zählen als sich hinterher ärgern! Die Plattstiche werden meistens in Fünfer-Gruppen über 4x4 Fäden gestickt. Es gibt Ausnahmen, deshalb immer die Anleitung genau studieren. Ich gehe jedoch bei allen Erläuterungen davon aus, daß über 4x4 Fäden gestickt wird, weil das bei weitem am häufigsten vorkommt.

Zählhilfen

Die im Teil
Zählstickerei genannten Zählhilfen bewähren sich auch bei der Hardanger Stickerei. Das Loch neben einem vertikalen Stoffaden hilft sehr gut, Abweichungen zu entdecken. Wenn Sie den ersten Stich in ein Loch neben einem vertikalen Stofffaden setzten, dann liegen jeweils der 1., 3. und 5 Faden einer PG neben einem vertikalen Stoffaden. Ganz gleich, in welcher Richtung Sie den Stoff halten, daran ändert sich nichts. Besonders kleine Abweichungen (ein Stich zu viel oder zu wenig, um einen Faden versetzt eingestochen etc.) entdeckt man mit dieser Methode besonderts einfach. Sie sollten immer einmal schauen, ob Sie noch richtig arbeiten, ich habe damit schon viele Fehler rechtzeitig gefunden (d. h. so daß ich nur ein oder zwei Stiche aufzutrennen hatte).

Die zweite Zählhilfe sind Hilfsfäden , die Sie bei Hardanger am besten über vier Fäden arbeiten (d. h. vier Fäden mit der Nadel aufnehmen, vier übergehen). Das kann man nur für die Mittellinien machen, bei größeren und komplizierteren Mustern kann man auch noch für jeden Rapport die Mittellinie markieren. Diese Fäden erleichtern das Zählen vor allem, wenn man einen Musterteil weiter entfernt von einem anderen anfangen muß, aber man kann auch gut feststellen, ob man noch symmetrisch arbeitet. Für kleine Deckchen o. ä. lohnt sich der Aufwand meist nicht, aber bei großen Arbeiten hilft es sehr, die Übersicht zu bewahren.

Das Ausschneiden der Fäden

Dieses Thema ist für viele Stickerinnen eine große Hürde, die sie von dieser wunderbaren Technik abhält. Einfach Fäden aus einem Stoff herauszuschneiden widerstrebt einem sehr, und natürlich ist die Sorge groß, daß man falsch schneidet. Ich selber habe mich durch aus diesem Grund sehr lange von der Handanger-Technik abhalten lassen, obwohl ich Zählstickerei sehr liebe. Ich möchte jedem Mut machen, es dennoch zu versuchen. Als ich einmal angefangen hatte, Fäden zu schneiden und zu umstopfen, konnte ich kaum wieder aufhören! Heute ist mir der durchbrochene Teil der Arbeit der liebste.

Um für Anfänger die Hürde ein wenig zu erniedrigen, erst einmal eine Beruhigung: Selbst wenn Sie falsch schneiden: Man kann es reparieren! Es kostet zwar etwas Mühe, aber es ist nicht alles verloren, wenn Sie sich einmal vertan haben. Mehr dazu unten.

Als zweites kann man die Angstschwelle senken, wenn man mit sehr kleinen Übungsstücken anfängt, bei denen weder viel Material noch viel Arbeit verloren geht, sollte man etwas falsch machen. Zu empfehlen sind die kleinen Untersetzer von Janice Love in "Basics and Beyond", ein Lesezeichen, oder ähnliches. Günstig ist, wenn man einen Stoffrest von einer anderen Stickerei verwenden kann. Oder aber, wenn man ein größeres Stück plant (Läufer, Kissen, Mitteldecke), schneidet man dafür zu, und arbeitet auf dem Rest ein paar Übungen, bevor man an sein Hauptwerk geht. Auch kleine Motive auf einen Rest Band gestickt sind eine gute Übung.

Nun sind alle Plattstiche gestickt, die Madeirastiche auch, der Langettenrand ist vollständig und es soll geschnitten werden. Suchen Sie sich eine Zeit aus, in der Sie wach und entspannt sind, und möglichst niemand stört. Besorgen Sie sich eine gute Stickschere, die vor allem eine feine Spitze haben sollte, die nicht zu schnell breiter wird. Storchscheren tun da gute Dienste. Es gibt bei Heijkina de Ruijter eine vorne abgeknickte Stickschere, die ideal ist! Mehr zum Thema Scheren in einem gesonderten Abschnitt. Bleiben Sie entspannt, sie haben ja nur eine kleine Arbeit vor sich. Sollte wirklich etwas schief gehen, es gibt Schlimmeres!

Sie sollten sich in einem Hardanger-Buch oder einem Burda Hardanger-Heft die Anweisungen zur Technik genau durchlesen. Meist werden abwechselnd vier Fäden ausgezogen, und vier Fäden stehengelassen.

  • Schneiden Sie nur senkrecht zu den Plattstichen, niemals parallel dazu
  • Die Plattstiche sollen immer rechts von der Schere liegen (für Rechtshänderscheren)
  • Führen Sie die Spitze der Schere von oben in den Stoff (keine Fäden spalten!)
  • Führen Sie sie unter den vier zu schneidenden Fäden hindurch
  • Kommen Sie mit der Spitze hinter den vier Fäden wieder an die Oberfläche. Das ist besonders wichtig, damit sie nicht unkontrolliert eventuell mehr schneiden als beabsichtigt!
  • Ruckeln Sie die Schere so nahe wie möglich nach rechts an die Plattstiche
  • Schneiden Sie vorsichtig die Fäden durch
  • Dabei darauf achten, daß Sie nicht die Plattstiche anschneiden. Schere gerade halten!

Nun werden auf die gleiche Weise (Arbeit um 180 Grad drehen, damit die Plattstiche wieder rechts von der Schere zu liegen kommen) die Fäden am gegenüberliegenden Ende geschnitten. Nun können sie die Fäden ausziehen. Entweder benutzen Sie dazu eine feine Pinzette, oder aber fahren Sie mit der Sticknadel zwei bis drei Stofffelder entfernt vom Schnitt unter einen Faden und ziehen ein Ende heraus, dann können Sie den Rest des Fadens ausziehen. Der erste Faden einer Vierergruppe ist immer am schwierigsten auszuziehen.

Ich ziehe bei Vierergruppen immer einen Faden aus, dann den übernächsten Faden, dann kann man die zwei restlichen leicht zusammen ausziehen.

Schneiden Sie auf die gleiche Weise nun alle Fäden des Motivs aus und ziehen Sie sie heraus. Wird an drei Seiten eines Kästchens geschnitten, dann erst die zwei parallelen Schnitte ausführen, Fäden entfernen, danach erst den dritten Schnitt.

Hat man größere Flächen zu arbeiten, kann man auch Teile von Fäden ausschneiden. Lieber nur kleinere Felder ausschneiden, als daß sich die Arbeit zu sehr verzieht. Arbeitet man im Rahmen, immer nur so viele Fäden ausziehen, wie innerhalb des Rahmens Platz haben.